Neukölln Unlimited

Von Svenja H. des Robert-Wetzlar-Berufskolleg / Dependance Röttgen

Der Film „Neukölln Unlimited" von den Filmemachern Agostini Imondo und Dietmar Ratsch entstand 2009 in der deutschen Hauptstadt Berlin. Produziert wurde der 96-minütige Dokumentarfilm von Arek Gielnik, Dietmar Ratsch und Nico Hein. Dietmar Ratsch begleitet die Geschwister, Hassan, Lial, und Maradona Akkouch mit der Kamera. Am 8. April 2010 erschien der Film ohne Altersbegrenzung auf verschiedenen deutschen Leinwänden.

Die Geschwister Hassan (m, 18), Lial (w, 19) und Maradona (m, 14) teilen die Leidenschaft für Breakdance und Hip-Hop. Aus dem Libanon abstammend, leben sie seit 16 Jahren mit der ständigen Angst vor einer weiteren Abschiebung im Berliner Bezirk Neukölln.
Lial und Hassan haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mit ihrem Talent den Lebensunterhalt der Familie zu sichern, damit diese sich legal in Deutschland aufhalten darf.
Bald entwickelt sich zwischen ihnen eine Form von Konkurrenzkampf um die Rolle des Haupternährers der Familie.
Maradona hingegen ist ständig zwischen dem Leben mit seinen Jungs auf der Straße und dem Lebensstil seiner älteren Geschwister hin und hergerissen, bis ihm überraschend die Qualifikation zu einer TV-Casting-Show gelingt. Gewinnt er die Prämie von 100.000 Euro, wäre die Zukunft seiner Familie gesichert…

Die sich selbst verkörpernden Figuren Hassan, Lial und Maradona leben mit dem ständigem Wissen, am Existenzminimum zu leben. So haben zwar Hassan und seine Schwester Lial eine lustige, sehr selbstbewusste Art, jedoch haben sie auf Grund ihrer Angst vor erneuter Abschiebung davor, den Unterhalt für die Sicherung der Existenz ihrer Familie nicht aufbringen zu können, sehr ernste Charaktere. Charaktere, die sich jeden Tag aufs Neue bewusst sind, dass das Leben kein Spiel ist.
Ihrem jüngeren Bruder Maradona, der das Problemkind verkörpert, ist dies zu bewusst geworden und er hat zunächst jegliche Form von Hoffnung verloren und sich dadurch einen naiven Charakter angeeignet.
Drehbuchautor Agostini Imondi setzt sich mit einer allgemeinen gesellschaftlichen Problematik auseinander. Integration in Deutschland und dem Kampf darum, in seiner Heimat nicht nur stückweise, immer mal wieder für 12 Monate geduldet, sondern anerkannt und integriert (auf die Weise, die das Wort Integration meint) sein zu wollen. Nicht als „Problem" oder gar „Last" gelten zu wolen. In dem Land, in dem man groß geworden ist, in dem man etwas erreicht hat, leben zu dürfen und gewollt zu werden.
Imondi zeigt einmal mehr den Unterschied zwischen klischeehafter Naivität gegenüber der Realität von Integration und Problemvierteln, wobei auch vor der Politik kein Halt gemacht wird… auch sie kann nicht immer in Sonne glänzen.
Die verschiedenen Blickwinkel jedes Einzelnen auf die Situation und die immer wieder aufgegriffene Animation, in der Hassan vom erschreckenden Erlebnis der ersten Abschiebung erzählt, lenken den Zuschauer in ein Gefühlschaos von tragischer Vergangenheit über traurige Gegenwart bis hin zur hoffnungsvollen Zukunft.
Erd- und Grautöne sowie die Erzählung Hassans über die Vergangenheit, dargestellt in animierten Bildern, wiederspiegeln über den kompletten Film, zwischenzeitlich ca. einminütig, die Tragik des traumatischen Erlebnisses der Abschiebung und ziehen den Zuschauer in Gefühle der Trauer, Wut und des Mitleides.
Um dem Zuschauer die Charaktere und die mit ihnen verbundenen Gefühle der Darsteller zu vermitteln, wird auf aufwändige Kameratechniken verzichtet. Dem Zuschauer wird hierdurch noch besser gezeigt, dass es sich um einen fast dramaturgischen Dokumentarfilm handelt, der leider bittere Realität ist. Jede Szene endet mit einem Schnitt, fallend auf ein Gebäude, eine Straße oder den Bahnhof Neuköllns. Auf auffallend grelle Farben, Helligkeitsunterschiede und Kontraste wird größtenteils verzichtet, außer in den Szenen, in denen es um die Kunst und das Talent der Geschwister geht.
Aufwändiges Licht und eine sich weich bewegende Kamera zeigen Wettkämpfe und Auftritte der Geschwister zum Thema Musik und Breakdance. Dem Zuschauer wird die Liebe zu ihrer Leidenschaft und all die Hoffnung, die sie in sie setzen, bewusst.

von NRW 2011 Redaktion SchulKinoWochen am 23.03.2011, Format: Film

Fazit

Inhaltlich ist der Film gut zu verstehen. Obwohl man die Familie nicht kennt und zunächst einmal schon vor Erscheinung eines solchen Films mit manchen Vorurteilen und klischeehaftem Denken, was Integration in Deutschland angeht, zu kämpfen hat, lässt man sich von der ersten Sekunde an auf das Leben der Darsteller ein. Ich persönlich war schockiert darüber, dass es einer Familie, die Deutschland ihre Heimat nennt, NEIN, deren Heimat Deutschland ist, so schwer gemacht wird, in ihrem Heimatland zu leben und anerkannt zu werden. Als wenn es eines bürokratischen „Glücksgriffs" bedarf, im eigenen Land die dafür ausgerichtete Staatsangehöhrigkeit zu bekommen. Klar muss man Unterschiede machen, aber der deutsche Personalausweis ist kein Lottoschein! An Hassan und Lial kann man sich einmal ein Beispiel nehmen. Verwunderung hat mich überkommen, bei dem Gedanken daran, Abitur zu machen oder eine Ausbildung zu absolvieren, in der Freizeit seinem Hobby nachzukommen und auch noch für den Familienunterhalt arbeiten zu gehen. Kampfgeist wird hier größer geschrieben, als beim Durchschnitt unserer Bevölkerung, wenn man einmal ehrlich zu sich selbst ist. Außer alle dem, liegt über dem ganzen Film hinweg Spannung und Hoffnung darauf, ob die Familie die deutsche Staatsangehörigkeit bekommt. Gibt es ein Happy End? Maradona nimmt einem mit seiner frechen, lustigen Art zwischenzeitlich das Gefühl der Bedrückung. Interessant war der Film auf jeden Fall und ich empfehle all den Menschen, die mit bösen und wie sie denken berechtigten Vorurteilen gegenüber Ausländern oder Deutschen anderer „Abstammung" mit sich selbst im Konflikt stehen oder nach allbekanntem Klischee denken, ihn anzuschauen und sich auf die traurige Realität einzulassen. Das Blatt wird sich wenden.

Weitere Informationen

  • Deutschland 2010
  • Dokumentation
  • Regisseur/in: Dietmar Ratsch; Agostino Imondi
  • Darsteller/innen: Hassan Akkouch; Lial Akkouch; Maradona Akkouch
  • FSK: Ohne Altersbeschränkung
  • Länge: 96 min.

Gesamtwertung

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