Cloud Atlas

"Alles ist verbunden" in diesem epochalen Werk; einer Zeitreise durch die Weltgeschichte mit Tom Hanks...

In "Cloud Atlas" werden 6 verschiedene Geschichten erzählt und zwar nicht hintereinander, sondern scheinbar wild durcheinander:

1849 schließt der todkranke Anwalt Adam Ewing auf seiner Pazifikreise eine verbotene Freundschaft mit einem Sklaven und beginnt ein Tagebuch zu schreiben. Dieses findet 1936 der junge Komponist Robert Frobisher. Der homosexuelle Jüngling sucht auf der Flucht vor seinen Gläubigern Zuflucht bei Vyvyan Ayers, einem gefeierten Komponisten im Ruhestand, und hofft auf finanzielle Unterstützung von seinem Geliebten Sixsmith, mit dem er während seines Aufenthaltes in Briefkontakt bleibt. 1973 ist Sixsmith einem großen Atomskandal auf der Spur. Er macht die junge Journalistin Luisa Rey auf die dubiosen Machenschaften des Konzerns "Seaboard" aufmerksam, die aber, während sie an ihrer Enthüllungsstory arbeitet, in Lebensgefahr gerät. Ihre Erlebnisse verschriftlicht sie in einem Manuskript, das 2012 dem erfolglosen Verleger Timothy Cavendish in die Hände fällt, der von seiner Familie in ein Altersheim abgeschoben und gegen seinen Willen dort festgehalten wird. Verzweifelt versucht er mit der Hilfe anderer Bewohner zu entkommen. Sein Zitat "Ich werde diesen verbrecherischen Missbrauch nicht dulden!", wird im Jahr 2144 im futuristischen Neo-Soul zum Leitspruch für die geklonte Kellnerin Smoni-451. Diese schaut sich heimlich die Verfilmung von Cavendish's Leben an und wird dadurch zu eigenständigem Denken inspiriert. Mit der Hilfe eines Rebellen gelingt ihr die Flucht. Durch ihr Handeln wird sie zu einem Symbol für die Menschen in einer postapokalyptischen Welt im Jahre 2346. Dort lebt Ziegenhirte Zachry, der sich etwas zu Schulden kommen lassen hat und deshalb den Teufel als ständigen Begleiter vor sich sieht. Er soll die fremde Meronym zu einer verlassenen Einrichtung in den Bergen bringen; allerdings verschweigt sie ihm ihre wahren Absichten.          

Was für ein Mammutwerk! Nicht ein, nicht zwei, sondern gleich drei Regisseure haben dieses gigantische Projekt verwirklicht und auf die Leinwand gebracht. Dabei haben sie sich auch untereinander aufgeteilt. Während Tom Tykwer die Episoden 1936, 1973 und 2012 abdrehte, übernahmen die Wachowski-Geschwister die anderen drei. Der Film wurde im deutschen Studio Babelsberg gedreht und ist der teuerste deutsche Film überhaupt. Die Investition von 100 Millionen Dollar hat sich allerdings mehr als gelohnt, denn dabei ist nicht weniger als der mit Abstand beste Film des vergangen Jahres herausgekommen. Er beruht auf dem Roman "Der Wolkenatlas" von David Mitchell, der, anders als der Film, die 6 Geschichten nicht durcheinander, sondern fein säuberlich hintereinander erzählt. Dabei steht jede Geschichte für ein anderes Genre und hat einen ganz eigenen Stil.

Das kommt bei der Verfilmung natürlich auch daher, dass unterschiedliche Regiesseure die einzelnen Episoden inszeniert haben. Während Tom Tykwer die anspruchs- und humorvolleren Geschichten drehte, sind die der Wachowskis vor allem bildgewaltig und dramatisch und damit schon näher an typischen Hollywood - Blockbustern, als die anderen. Über die Laufzeit von knapp drei Stunden wird dabei die Spannung gehalten. Langweilig wird es nie, denn der Film ist unglaublich abwechslungsreich. Während die Geschichte des jungen Anwalts eine klassische Abenteuergeschichte mit Happy-End ist, ist die des Ziegenhirtens eine brutale und oft pessimistische Utopie, die in einer zerstörten Welt spielt, in der die Menschen neben ihrer Sprache auch ihre Menschlichkeit verloren haben. Auch die Erzählweisen sind sehr unterschiedlich. Das Drama ist ruhig, feinfühlig und romantisch, die Science-Fiction-Episode hangelt sich von einer Fluchtsequenz zur nächsten und wieder andere Geschichten trumpfen mit deftigem Humor auf, der manchmal ein wenig aufgesetzt wirkt. Eines haben aber alle gemeinsam: es geht immer um eine Minderheit, die von einer mächtigeren Macht unterdrückt oder gejagt wird.

Viele dieser Geschichten könnten vermutlich auch alleine stehen, aber nicht alle. Vor allem die Abenteuergeschichte ist dafür viel zu genretypisch und dementsprechend vorhersehbar. Aber es sind ja auch nicht die einzelnen Geschichten, die den Film zu etwas Besonderem machen, sondern das, was sie zusammen ergeben. Dem aufmerksamen Zuschauer wird schnell auffallen, dass es sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen den auf den ersten Blick so unterschiedlichen Handlungen gibt. Das wird durch die schnellen Wechsel von einer Geschichte zur nächsten noch deutlicher, als es im Buch der Fall war, wo der Autor den Fehler beging sich zu stark auf die einzelnen Geschichten zu verlassen, was dann dazu führte, dass es sehr schnell sehr zäh wurde. Aus diesem Grund ist diese Verfilmung ein sehr gutes Besipiel dafür, dass es sich auszahlen kann, nicht einfach nur das Geschehen auf den Seiten filmisch festzuhalten, sondern sich zu überlegen, wie man es noch besser machen kann und wie man die Aussage und Botschaft eines Romans besser einfängt. Durch die vielen Verbindungen und Brücken ist dies auch ein Film, bei dem es sich wirklich lohnt ihn mehrmals zu sehen, um jedes Mal etwas Neues zu entdecken.

Technisch kann man "Cloud Atlas" wahrlich keinen Vorwurf machen. Sei es die Zukunftswelt Neo-Soul oder die Reste der Zivilisation im 24. Jahrhundert: die Effekte sind atemberaubend gut, die Bilder sind stilsicher und kreieren originelle und visuell einzigartige Szenarien. Kameraführung und besonders der Schnitt sind ebenfalls ausgezeichnet. Denn obwohl man es vielleicht nicht denken mag, ist man spätestens nach 10min komplett in den Geschichten versunken und verliert nie den Überblick, an welchen Handlungspunkten die jeweiligen Episoden gerade angekommen sind. Dabei brennen sich auch, obwohl es eine Unmenge an verschiedenen Szenen gibt, kurze und für die Handlung nicht relevante Abschnitte in den Kopf, wie z.B. der Traum von Sixsmith, in dem er mit seinem Geliebten durch das Zerstören von Porzellan Töne erzeugt. Besonderes Lob muss man auch der Filmmusik aussprechen, denn die Komponisten haben eine wunderschöne Melodie gefunden, die zu allem passt und mit der sie einen Großteil der Szenen unterlegt haben. Wenn der Film zuende ist, hat man diese noch eine lange Zeit im Ohr. Mut zeigten die Filmemacher auch bei der gezeigten Gewalt, die sie fast die Freigabe ab 12 gekostet hätte, die allerdings immer noch mehr als fragwürdig ist. Hier werden Kehlen aufgeschlitzt, Leute mit gezielten Schüssen ermordet und Löcher in Hälse gesprengt. Blut ist hier sehr viel zu sehen, die Kamera hält voll drauf und auch die Inszenierung schwächt das Geschehen nicht entlastend ab, sondern unterstreicht es nur. Zudem kommt die für viele Zuschauer vielleicht überfrachtete und überfordernde Thematik dazu, an die man sich erst gewöhnen muss. Auch nackte Haut spielt in vielen Szene eine Rolle. Ebenfalls ungewöhnlich viel für einen Film, der seinen Marktwert unbedingt behalten muss. Das führte übrigens dazu, dass er für das chinesische Kinopublikum um ganze 40min geschnitten werden musste.  

Interessant ist außerdem, dass Stars wie Tom Hanks und Halle Berry nicht nur eine, sondern gleich sechs verschieden Rollen übernehmen. Das ist gewiss auch aus dem Grund geschehen, weil es viel Aufwand und Geld bedeutet hätte jede der zahlreichen Rollen mit einer anderen Person zu besetzen und die Hollywood-Größen wären dann wegen ihrer kurzen Auftritte auch verschenkt gewesen. Aber dadurch gewinnt der Film noch eine andere Komponente dazu, denn es macht unglaublich viel Spaß versuchen zu erraten, wer jetzt wen und vor allem wie viele spielt. Außerdem wird dadurch die Message "Alles ist verbunden" noch einmal dick unterstrichen. Im Abspann wird jeder Darsteller nochmal mit allen Rollen, die er gespielt hat gezeigt. Spätestens dann fasst man sich an den Kopf und fragt sich, warum man ihn nicht erkannt hat. Das mag an dem tollen Make-up liegen, das es einem teilweise fast unmöglich macht gewisse Personen miteinander in Verbindung zu bringen, aber auch daran, dass die Darsteller großartig agieren. Man sieht Tom Hanks einfach an mit wieviel Leidenschaft und Spaß er einen überzogen negativ gezeichneten Autor mimt, der einen Kritiker, der seine Autobiografie verrissen hat, kurzerhand vom Dach wirft. Die anderen Akteure spielen ebenfalls sehr gut. Auch hier gibt es große Gegensätze: Ben Whishaw spielt Komponist Frobisher sehr zurückgenommen, während Jim Broadbent als Verleger Cavendish hemmungslos übertreibt und schon fast zu viel macht. Allerdings ist die Entscheidung Männer Frauen spielen zu lassen, eher nach hinten losgegangen, denn das zieht den Film manchmal unnötig ins Lächerliche.

Über solche kleinen Schwächen kann man dann aber doch leicht hinwegsehen. Was mir aber bis heute ein Rätsel geblieben ist, warum der Film von einigen verdienterweise in den Himmel gelobt wurde, von den meisten aber komplett verrissen wurde. Da präsentiert man dem Publikum einen innovativen und einzigartigen Film auf Blockbuster-Niveau, den es  so noch nie gegeben hat und an statt so ein Projekt zu unterstützen, wird er mit Preisen als schlechtester Film des Jahres ausgezeichnet und zwar in einer Zeit, in der die Blockbuster im Kino entweder Fortsetzungen, Neuauflagen oder Prequels sind und die erfolgreichsten Filme des Jahres meist eine 2,3 oder 4 hinter dem Titel stehen haben. Durch die harten Verrisse ist dem Film an den Kinokassen ein gutes Einspielergebnis leider verwehrt geblieben und das obwohl er eigentlich für jeden Geschmack etwas bereit hält und sehr vielseitig ist. Auch bei den diesjährigen Oscars wurde er komplett übergangen. Es reichte nach Ansicht der Academy nicht einmal für Nominierungen in Nebenkategorien, wie Make-up, beste Filmmusik oder beste visuelle Effekte.   

von Linus.Kr 14 Jahre, Redaktion Münster am 06.07.2013, Format: Film

Fazit

"Cloud Atlas" ist der beste Beweis dafür, dass großes Hollywood-Kino längst noch nicht der Vergangenheit angehört. Der Film ist romantisch, dramatisch, lustig, unglaublich bewegend, actionreich, visuell berauschend und so spannend, wie es selten der Fall ist. Dabei fasziniert er immer aufgrund seiner vielschichtigen Thematik. Bitte, liebe Filmproduzenten, zeigt in Zukunft mehr Mut zu großen Stoffen und zur Innovation. So magisch, poetisch und ambitioniert war ein Filmprojekt schon lange nicht mehr!

Weitere Informationen

  • USA 2012
  • Abenteuer, (Liebes-)Drama, Action, Thriller, Komödie, Science-Fiction
  • Spielfilm
  • Regisseur/in: Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski
  • Darsteller/innen: Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Doona Bae, Jim Sturgess, Hugo Weaving, Ben Whishaw, Keith David, Susan Sarandon, Hugh Grant
  • FSK: ab 12 Jahren
  • Länge: 174 min.
  • Verlag: X - Verleih
  • Sonstiges: Budget: 100 Millionen Dollar

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