... und man riecht das Gas noch immer

„Ekelhaft.“, sagt Maik ganz leise. „Ich hatte das Gefühl Gas zu riechen.“ Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht, das halb unter einer blauen Kapuze verborgen ist, während er die Fremdenführerin mustert die die Schülergruppe, zu der auch Maik gehört, über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz- Birkenau führt. Die blonde Frau nickt. „Das ist natürlich nicht mehr möglich, aber das Gefühl haben viele Menschen. Wir bilden uns diesen Geruch ein.“
Mit dem Besuch der einzig noch erhaltenen Gaskammer und dem dazugehörigen Krematorium in Auschwitz selbst ist die Führung durch das Stammlager beendet. Zwei Stunden lang wurden die Schüler aus Bergisch Gladbach zwischen den Baracken herumgeführt, die inzwischen zu Ausstellungszwecken dienen. In diesen Räumen werden heute die hinterbliebenen Sachen der Häftlinge gezeigt: Kleidung, Geschirr, Koffer und Unmengen von Haaren. Aber es ist auch zu sehen wie die Unterkünfte und Sanitäreinrichtungen waren.
Auch Block 11 hat sich die Gruppe angesehen, den so genannten Todesblock, in dem Häftlinge wegen verschiedener Vergehen verurteilt wurden, in den meisten Fällen zum Tode.
Als die Schüler nun das Gelände des Stammlagers in einem Bus verlassen, weht zwar ein kühler Wind, doch die Sonne scheint trotzdem. Alles wirkt friedlich. Dass hier tausende von politischen Gegnern des NS- Regimes den Tod gefunden haben sollen, will Maik nicht begreifen. Nichts weist mehr auf die Verbrechen hin, die hier vor mehr als sechzig Jahren begangen wurden.

Als die Schüler aus dem kleinen Bus steigen ist der Wind noch kälter geworden. Der 17- jährige Maik zieht sich die Kapuze seines blauen Pullovers noch tiefer ins Gesicht. Sobald er unter dem Torbogen hergeht, der auf das Gelände führt, schweift sein Blick über das weitläufige Areal. Zwar hat er ein großes Gebiet erwartet, doch diese Dimensionen übertreffen seine Vorstellungen bei weitem.
So wie er sich in Auschwitz kaum vorstellen konnte, dass dort Menschen umgebracht worden sein sollen, so wirkt Birkenau ganz anders auf ihn. Die Baracken, an denen auch die eine oder andere Tür fehlt, die Rampe, an der die Selektion der ankommenden Häftlinge vorgenommen wurde, die Ruinen der Gaskammern und Krematorien und immer wieder Rosen auf den ehemaligen Unterkünften – all das gibt Maik das Gefühl wirklich ein früheres Massenvernichtungslager zu besuchen.
Der Weg, den die Schüler bis jetzt zurückgelegt haben, ist lang und er endet an einem großen Denkmal am Waldrand. Was es darstellen soll ist schwer zu sagen und auch nicht bekannt, doch es wirft lange Schatten auf den gepflasterten Weg.
Maik dreht sich um, so dass er nun mit dem Rücken zu dem Denkmal steht und seinen Blick über das riesige Gelände wandern lassen kann. Am Himmel über ihm ziehen die leichten Wolken weiter, die kurzzeitig die Sonne verdeckt haben.

von Redaktion Köln 1 am 09.03.2008, Format: Reportage