NRW-Schulkinowochen 2016

Spinxx: War es schwierig, die Rolle umzusetzen?

Lilay Huser: Nein, das war für mich garnicht schwierig, weil ich mich mit dieser Rolle ganz gut identifizieren kann. Diese Geschichte könnte nämlich auch meine Geschichte sein.

Spinxx: Leben Sie die türkische Kultur immer noch?

Lilay Huser: Also natürlich, ich kenne jetzt beide Kulturen, ich sitze aber nicht zwischen zwei Stühlen. Für mich ist das einfach eine Bereicherung, dass ich beide kenne. Gerade für meine Arbeit im Theater oder im Film kann ich das gut umsetzen.

Spinxx: Wurde Ihnen geholfen, sich in Deutschland zu integrieren?

Lilay Huser: Also ich habe natürlich viel Hilfe bekommen. Und als wir nach Deutschland gekommen sind, konnte ich ja kein Deutsch. Das habe ich ja alles hier gelernt. Ich habe einen Deutschkurs besucht und Freunde oder Bekannte haben mir geholfen. Für mich war das nicht so schwierig. Nur die Mentalitäten sind ja ganz anders, da hatte ich schon ein bisschen Schwierigkeiten, das alles zu lernen und umzusetzen.

Spinxx: Wurden die Szenen, die im Film in der Türkei stattgefunden haben, wirklich in der Türkei gedreht?

Lilay Huser: Ja, diese Szenen haben wir dann in der Türkei gespielt. In einem kleinen Dorf in der Nähe von Izmir. Da mussten wir jeden Tag mit dem Bus eine Stunde hinfahren und nach der Arbeit dann wieder zurück. Das war sehr schön, aber auch sehr heiß.

Spinxx: Was sagen Sie zu der jetzigen Integrationsdebatte?

Lilay Huser: Also das, was momentan in Deutschland läuft, oder überhaupt auf der Welt, das ist garnicht schön. Auch wegen dem Krieg. Die Leute sterben, die Kinder sterben und ich denke da muss mehr geholfen werden. Die Leute kommen ja nach Deutschland oder in die anderen Länder, weil das Leben in ihrer Heimat nicht mehr möglich ist. Und da müsste mehr geholfen werden.

Spinxx: Wie lange haben die Dreharbeiten gedauert?

Lilay Huser: Die Dreharbeiten haben ungefähr drei Monate gedauert, aber da steckte viel Arbeit drin - Vorarbeit, Nacharbeit... Die Drehbuchautoren Nesrin und Yasemin Şamdereli haben ja jahrelang nach Geldern gesucht, Produzenten gesucht, Anträge gestellt,... Das alles hat ungefähr sieben Jahre gedauert. Wenn das dann alles okay ist, ist das auch wieder viel Arbeit - die Leute müssen gecastet werden, die Orte müssen besichtigt werden, und und und... Ende oder Mitte Oktober 2009 haben wir abgedreht, aber bis der Film rausgekommen ist, war ja schon 2011! Ein Filmdreh ist sehr viel Arbeit.

Spinxx: Was war Ihr erster Eindruck, als Sie in Deutschland ankamen?

Lilay Huser: Ich dachter erstmal, ich wäre auf einer anderen Welt. (lacht) Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich erstmal angefangen, bei einer Gaststätte zu arbeiten. Aber erstmal in der Küche, weil ich ja kein Deutsch sprechen konnte. Und am Sonntag kam dann ein Pastor in die Kirche, ganz schwarz gekleidet, und dann dachte ich "hm, das ist ja wie ein Film?!" Also das war schon ... Viele Sachen waren ganz ganz anders.

Spinxx: Werden Sie oft für Filme gebucht, in denen Ihr Hintergrund, Biografie oder Herkunft eine Rolle spielt?

Lilay Huser: Ich bin meistens natürlich als ausländische Schauspielerin besetzt. Am Anfang war das natürlich für viele Klischee-Rollen, wie zum Beispiel eine türkische Mutter oder eine türkische Putzfrau mit Kopftuch. Das hat sich in de letzten Jahr ein bisschen geändert. Natürlich kann ich nicht als deutsche Schauspielerin spielen, weil ich nicht akzentfrei spreche. Aber es könnte natürlich auch die ein oder andere Rolle mehr sein. Das ist natürlich mein Wunsch. ich möchte auch viele verschiedene Rollen mal ausprobieren.

Spinxx: Wie lange hat es gedauert, bis sie fließend Deutsch gesprochen haben?

Lilay Huser: Oh mein Gott, das hat glaube ich lange gedauert. Das ist immer schwierig, wenn man als Kind eine andere Sprache lernt oder mit 20. Das ist ein großer Unterschied. Das war einfach sehr, sehr schwierig.

Spinxx: War ihr Studium in Deutschland auf Deutsch oder Englisch? Hatten sie Schwierigkeiten im Studium?

Lilay Huser: Ja, ich habe ja hier in Deutschland studiert. Das war natürlich eine deutsche Uni, an der nur Deutsch gesprochen wird. Das war schwierig. Wenn die Leute 80% verstanden haben, habe ich vielleicht nur 20% verstanden. Deswegen musste ich zuhause viel mehr lernen, als die anderen. Aber wenn man will, dann schafft man alles, hat mein Vater immer gesagt.

Spinxx: Haben Sie noch Kontakt zu den anderen Schauspielern?

Lilay Huser: Ja, mit vielen Schauspielern habe ich noch Kontakt. Sogar mit Vedat Erincin, der meinen Mann gespielt hat. Mit ihm habe ich in mehreren Filmen noch zusammen gespielt, als Mann und Frau oder Verwandte. In der letzten Zeit musste ich eine arabische Frau spielen, die dann auch Arabisch spricht. Dafür lerne ich aber die Sprache nicht extra, sondern lerne nur meinen Text auswendig.

Spinxx: Haben Sie in ihrem Privatleben, im Umgang mit sozialen Kontakten, oft das Problem, dass andere Menschen Ihnen gegenüber mit Vorurteilen belastet sind? Vorurteile wie Rassismus zum Beispiel.

Lilay Huser: Also ich persönlich habe so etwas noch nicht gehabt, aber ich habe von anderen Leuten gehört, dass es immer noch ein großes Problem ist. Das ist natürlich sehr schade, finde ich. Ich bin ja vom Theater und wir machen auch viele Projekte mit Jugendlichen. Dort kann ich auch vieles von ihnen erfahren, was da passiert ist. Was gerade ein großes Problem ist, vorallem bei türkischen Kindern, wenn sie sich mehr an Deutschland anpassen, bekommen sie Schwierigkeiten zuhause, von der eigenen Familie. Das ist ein großes Problem. In den letzten 20 Jahren sind ja viele Familien wieder in die Türkei zurückgekehrt. Und da gab es auch große Probleme, dass einige Jugendliche nicht mehr zurück in die Türkei gehen wollen. Einige haben auch Selbstmord begangen oder sind geflohen. Es war nicht so einfach. Sie sind in der deutschen Kultur aufgewachsen und mit 15 oder 16 in die Türkei zurück und das ist natürlich ganz anders auch das Schulsystem ist ganz anders. Das ist leider ein großes Problem.

Spinxx: Können Sie sich vorstellen, ob es einfacher ist, von der Türkei nach Deutschland zu ziehen oder von Deutschland in die Türkei? Sie meinten eben, es sei sehr schwierig für türkische Kinder, die sich in Deutschland schon angepasst haben, zurückzugehen. Stellen Sie sich das schwieriger vor, in eine bestimmte Richtung sozusagen?

Lilay Huser: Ich denke beides ist schwierig. Das erste Problem ist immer die Sprache. Da ist es egal, ob jemand aus der Türkei hier hin kommt oder jemand in die Türkei geht. Man muss erstmal die Sprache beherrschen. Wenn das dann okay ist und dann fängt das ja mit der Kultur und den Mentalitäten an. Und da muss man dann offen sein. Oder man muss gut recherchieren, wie das Land ist, wie es in jedem Bereich ist, wie es überhaupt überall läuft. Man muss sich also zuerst erkundigen "ist das denn was für mich, komme ich denn damit klar?". Vielleicht könnte man auch erst einmal eine Probezeit für sich festlegen, um dann zu gucken... Also einfach ist beides nicht. 

Spinxx: Haben Sie denn noch Familie in der Türkei? Pflegen Sie die Kontakte dort noch?

Lilay Huser: Also ich fliege jedes Jahr in die Türkei. Mein Vater, meine älteste Schwester und momentan meine Tochter leben dort und ich habe dort auch noch viele Freunde.

 

Wir bedanken uns herzlich bei Lilay Huser, die sich Zeit für uns genommen hat.

von Toni.K 11 Jahre, Redaktion HAMMer - Redaktion am 15.02.2016, Format: Interview

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