Anime, Manga und Co

von Jana, 15 Jahre (Ferienworkshop Anime, Manga und Co in Gelsenkirchen)

Zunächst mal sind Animes und Mangas kein „Boom“ im eigentlichen Sinne. Vampire boomen. Naruto boomt. Früher haben “Yu-Gi-Oh!“ und „Beyblade“ geboomt. Davor war „Pokémon“ ein Boom.

Abgesehen von den Vampiren sind all dies japanische Zeichentrickserien, die auf einer Manga- oder Videospielvorlage basieren. Das macht sie zu Animes. Jedoch ist es keinesfalls so, dass Animes und Mangas in letzter Zeit einfach „da“ waren und nicht mehr weg wollten - im Gegenteil. Animes gibt es im deutschen Fernsehen etwa, seit es das Kinderprogramm im deutschen Fernsehen gibt.

„Haha, gar nicht, der erste Anime im Fernsehen war Sailor Moon Mitte der 90er Jahre!“

Setzen, sechs.

Mit der Ausstrahlung von „Sailor Moon“ 1995 begannen wir lediglich, Animes als solche wahrzunehmen. „Sailor Moon“ war quasi die „Einstiegsdroge“ für fast alle, die sich heute als etablierte Manga- und Animefans bezeichnen können. Und mit etabliert meine ich lange, laaange dabei. Denn wer als „RTL2-Kind“ aufgewachsen ist und in den 90er Jahren bereits Fernsehen gucken durfte, wurde garantiert in seiner Entwicklung maßgeblich von „Sailor Moon“ geprägt, denn ich war sicher nicht die Einzige, die sich mit ihren Freundinnen im Kindergarten regelmäßig darum gestritten hat, wer heute „Sailor Moon“ spielen darf.

Aber nein, Animes im deutschen Fernsehen gab es schon früher. Viel früher.

Wie wäre es denn mit „Kimba, der weiße Löwe“ (ZDF, 1977) oder „Captain Future“ (ZDF, 1980)?  Kennt ihr nicht? Oh, wie schade.

Was ihr aber ALLE kennt, nein, kennen MÜSST, sind die Kinderserien „Heidi“, „Biene Maja“ und „Wickie und die starken Männer“, ebenfalls alles aus den 70ern, ebenfalls alles Animes und die klassischen Kinderserien schlechthin, die wir einfach alle kennen. Kennen müssen.
Und alles lange vor „Sailor Moon“ da.

Also, Animes sind kein Boom, sie waren schon immer da. Wir haben sie nur nie bemerkt, bis „Sailor Moon“ kam, weil „Sailor Moon“ so ziemlich der erste Anime war, der tatsächlich in Japan spielte. Das heißt, bevor die amerikanische Bearbeitung es vergewaltigt hat. Aber davon sind wir hierzulande ja glücklicherweise verschont geblieben; unsere „Sailor Moon“ hieß „Bunny Tsukino“, nicht „Serena“, na gut, aber auch nicht „Usagi“. Dafür ist „Bunny“ an „Usagi“ wesentlich näher dran als Serena und bedeutet auch noch dasselbe.

Und wenn sich jetzt alle Jungs zurücklehnen und denken, „Ha, das betrifft mich doch nicht“, dann haben sie Recht, zumindest bis RTL2 1999 begann, „Pokémon“ auszustrahlen. Denn damit hatten sie uns wohl alle. Wem „Pokémon“ zu kindisch war, der guckte einfach „Dragonball“ (RTL2, 1999).

Mit diesen drei Serien bin auch ich „eingestiegen“, „Sailor Moon“ vor allem, hey, ich bin auch nur ein Mädchen. „Digimon“ (RTL2, 2002) traf mich allerdings ungefähr genauso hart. RTL2 war meine Bibel. Bis heute gucke ich es immer, wenn ich Zeit habe und man mich an den Fernseher lässt. Nun gut, heute nur noch, um mich über die schlechte Bearbeitung zu amüsieren, denn ernsthaft, auch wenn sie sich durch „Naruto“ (sehr, sehr schlecht bearbeitet) und eine zugegeben gute Umsetzung von „One Piece“ zu retten versuchen; der Stern von RTL2 ist gesunken. Spätestens mit Pokito TV; denn die Serien, die RTL2 wirklich auszeichneten, waren „Pokémon“, „Dragonball“ (beliebige Buchstaben dahinter setzen), „Digimon“, „Yu-Gi-Oh!“ (keine Buchstaben hier), „Beyblade“, „Detektiv Conan“, „One Piece“, und, für die Mädchen, „Sailor Moon“, „Jeanne die Kamikaze-Diebin“, „Wedding Peach“ und „DoReMi“, um nur einige zu nennen.
Wie viele Serien davon finden wir heute noch auf RTL2, ohne dass sie ihren Charme verloren haben?

Mein erster Manga war der erste Band von „Card Captor Sakura“, den ich 2003 im Alter von 9 Jahren in den Händen hielt. Die zwei Bände „Sailor Moon“, die ich mit 5 zu Weihnachten bekommen habe, zählen nicht, die hab’ ich immerhin noch ausmalen wollen. Einen Geburtstag später zählte mein Mangaregal sowohl alle 12 Bände von „Card Captor Salura“, als auch die ersten Bände „Kamikaze Kaito Jeanne“. Nein, nicht „Jeanne die Kamikaze-Diebin“, so was ähnliches. In einem neu entfachten Wahn legte ich mir einige Ausgaben der „Daisuk“i, das erste Mangamagazin für Mädchen zu, die „Banzai!“ verpasste ich, Schande über mich, aber damals waren Jungenmangas auch noch doof. Etwa ein weiteres Jahr später hatte ich keinen Platz mehr im Regal.

Mittlerweile kenne ich mehr Mangaserien als in Deutschland erhältlich sind, oh heiliges Internet, und auch wenn ich mich nicht so fühle, zähle ich wohl zu den Cracks. Na ja, eigentlich nicht, aber… Egal.

Und sobald RTL2 doof wurde („Ich degradiere dich!“), entdeckte ich diverse Seiten im Internet, auf denen man Animes in der Originalfassung mit englischen Untertiteln gucken konnte.

Merksatz: Englische Untertitel sind besser als deutsche. Denn die englischen Untertitel haben nur ein paar Übersetzungsfehler. Die deutschen Untertitel wurden meistens von den englischen übersetzt und haben somit mehr Übersetzungsfehler - ganz wichtig! Und man wird dadurch besser in Englisch. Ein höchst angenehmer Nebeneffekt.

Ich gebe also Unmengen Geld für kleine, verkehrt herum zu lesende Comics aus, die nicht einmal bunt sind, und lerne eine Fremdsprache bis zur Perfektion, nur um irgendwelche Kinderserien zu konsumieren.

Wie wunderbar.

Da fragt man sich natürlich, wozu das Ganze?

Ähm… So ganz genau weiß ich das auch nicht. Probieren wir’s mit einer Gegenfrage: Wieso geben andere Leute Unmengen von Geld für Bücher, Videospiele oder anderes aus? Na? Naaa?

Genau, keine Ahnung.


Und Mangas sind mehr als nur Kleinkindergeschichten über Leute, deren Augen so groß sind, dass sie bei direktem Blick in irgendeine Lichtquelle eigentlich augenblicklich (was ein tolles Wortspiel…) erblinden müssten. Ja, ehrlich. Wenn man sich mal näher damit beschäftigt, bemerkt man eventuell, dass Mangas ebenso vielfältig sind wie Bücher. Und zwar in jeder Hinsicht.

Als eine der ersten, zumindest in meinem Umfeld, die sich mit Mangas beschäftigt hat, musste ich meinen Eltern und Großeltern gegenüber als allererstes gegen das Klischee der japanischen Sexcomics ankämpfen. Uuuh, jetzt wird’s aber böse. Denn natürlich gibt es Mangas, die nichts weiter als Sexcomics sind. Die nennen sich Hentai, stehen in der Buchhandlung ganz oben und haben lustige rot-pinke Sticker auf der Verpackung, die verhindert, das kleine Mädchen, die eigentlich nur die hübschen Bilder in Kamikaze Kaito Jeanne angucken wollten, aus Versehen einen hardcore Yaoimanga erwischen. Das heißt Schwulenmangas. Nur so zur Info.

Also, wir haben die klassischen Kinderserien und die Hentaimangas. Yeeha. Was für eine Vielfalt.

Nun ja, dazwischen gibt es noch… Ähm… Etwas erwachsenere Liebesgeschichten, Fantasymangas, Fußballmangas, Mangas zu jeder beliebigen anderen Sportart, tausend Arten von Magical Girls Marke Sailor Moon, was ich noch nie so oft in einem Textdokument hatte, Kriegsgeschichten, Science-Fiction, bzw. Meccha-Mangas, Krimis, Horror… Einfach so ziemlich alles, was man sich an Büchern vorstellen kann. Manga ist kein Genre, Manga ist ein Medium. Nicht im Sinne von „uuh, ich kann mit Geistern reden“, sondern im Sinne von Mittel. Ein gedrucktes Mittel wie ein Buch, man schlägt es auf, um etwas zu kriegen, was man bekommt.

Natürlich sind Mangas simpler als Bücher, hey, es sind Bildergeschichten, die dazu gedacht sind, Japaner auf dem stundenlangen Weg von zu Hause zur Arbeit zu unterhalten, aber das kommt auch wieder ganz darauf an, was für eine Art von Manga man erwischt. Hier in Deutschland findet man überwiegend die nicht wirklich komplizierten Geschichten, also, immer noch anspruchsvoll genug um Teenager zu unterhalten, aber man muss sich auch nicht so großartig konzentrieren können, um der Handlung zu folgen. Das ist dann wieder das Verhältnis von Qualität und Quantität. Wer will schon behaupten, dass Dragonball eine sonderlich komplexe Handlung hätte, auch wenn es 42 Bände umfasst. Das sind vielleicht sieben Sagas, die abgesehen von den Charakteren kaum etwas gemeinsam haben und in denen es in erster Linie immer darum geht, dass irgendein Typ die Welt rettet. Das denkt man sich in allen möglichen Variationen und man hat einen guten Teil der deutschen Mangas abgedeckt.

Es gibt allerdings noch eine weitere Gattung der Literatur, den Mangas abdecken; Sachbücher. Japaner könnten alles aus Mangas und Animes lernen, ehrlich, alles. Weltretten, Fußballspielen, Traumtypfinden, das ist Standard. Allerdings lässt sich diese Palette noch bis zum Brotbacken fortführen. Ja, ernsthaft. Es gibt Animes, die sich damit beschäftigen, wie man Brot bäckt.

Von mir persönlich kann ich aber eher sagen, dass ich Mangas so toll finde, gut, jetzt geht das Niveau endgültig flöten, weil sie halt … irgendwie anders sind. Wenn man sich amerikanische Comics so anguckt, ist das ja entweder auf Humor ausgelegt oder darauf, dass irgendein mutierter Superheld die Welt rettet und in Manhattan (bzw. Städten, die ZUFÄLLIGERWEISE genauso aussehen wie Manhattan) damit anfängt. Und nur, um ganz korrekt zu sein, Manhattan ist keine Stadt, sondern so was wie ein übergroßer Stadtteil von New York. Aber egal, was ich eigentlich sagen wollte, Mangas sind anders. Sie behandeln Kinder anders, irgendwie erwachsener. Ich weiß auch nicht wieso, aber teilweise sind „Kinderserien“ derartig erwachsen,  beziehungsweise brutal, dass sie von RTL2 geschnitten werden müssen!!! Nicht, dass RTL2 nicht sowieso schon alles schneiden würde, was es in die Finger kriegt, aber hey…

Animes und Mangas behandeln Gewalt realistisch. Wenn jemand einen Abgrund herunterfällt ist er entweder tot oder zumindest schwer verletzt und hinterlässt keinen Abdruck seiner Körperform im Boden. Wenn jemand beim Weltretten etwas auf die Nase kriegt, blutet die auch schon mal.

„Haha, gar nicht, Naruto blutet nicht, wenn er gehauen wird!“

Das ist so schon richtig, wenn man „Naruto“ im deutschen Fernsehen guckt, wo jeder noch so kleine Blutstropfen übermalt wird. Ja, ernsthaft. Kleinste Blutspritzer, für die Handlung wichtige Wunden und 90% aller Gewaltszenen werden geschnitten oder zensiert. Dumm nur, dass Naruto nur aus Gewalt besteht, die Typen sind immerhin Ninjas. Nein, nicht Niiienjas, sondern Ninndschas. Theoretisch.

Okay, okay, „Naruto“ - Folgen haben meistens eine Freigabe ab 12 oder 16 Jahren und die meisten RTL2-Zuschauer sind etwa zehn Jahre jünger, oder zumindest scheint RTL2 das zu glauben, aber hey, „Dragonball Z“ konnten sie auch um 19:00 Uhr senden und das war noch weniger erfolgreich, weil vorher niemand „Dragonball“ geguckt hat. Was zugegeben auch bis zum Oberteufel Piccolo ziemlich pietätlos war.

Aber ich schweife ab, eigentlich wollte ich nur schamlos Werbung für Mangas machen. Also, lest Mangas, sie bevormunden euch nicht und wachsen mit. Okay, wenn man sich geschickt anstellt… Ähm, zum Beispiel, ihr selbst lest „Naruto“, drückt eurer kleinen Schwester die uralt Mangas von „DoReMi“ in die Hand und stellt euren großen Bruder mit viel zu vielen Bänden „Manga Love Story“ ruhig. Oder eure große Schwester mit irgendeinem der zahlreichen Shonen-Ai oder aus dem Boden wachsenden Vampir-Mangas, von denen ich natürlich keine Namen kenne. Und an euren kleinen Bruder könnt ihr vielleicht eure „Naruto“ - Bände abtreten, immerhin wird der schneller erwachsen als die Mangas veröffentlicht - und wenn das nicht klappt, kauft ihm doch einfach Captain Tsubasa. Oder lasst eure Eltern das für ihn kaufen, damit er wenigstens irgendwas liest. Und wenn’s denn nur stupide Comicheftchen verkehrt rum und zum Ausmalen sind, in denen es darum geht, dass ein komischer Junge, der nichts außer Fußballspielen kann, Japan die WM gewinnen lassen will. Ja, das kam auch mal auf RTL2 und hatte viele muskulöse Männerbeine - noch mehr als „Dragonball Z“. Ja, das geht. Wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Charaktere in „Dragonball Z“ nicht einmal so richtig menschlich waren.

Jippieh yay. Lest Mangas, kauft heute noch eure Buchhandlungen leer, sie werden sich bedanken! Vor allem, nachdem die Preise von 5€ auf 5,95€ gestiegen sind… Aber hey, wenn genug Leute Mangas kaufen, kriegen wir auch den Preis wieder runter. Echt jetzt.

Nein, ernsthaft. Ich empfehle euch einfach mal zu stöbern. Mangas sind toll, wenn man schnelle Unterhaltung braucht und von der „westlichen“ Kultur angeödet ist. Manga-Fantasywelten unterscheiden sich zumeist von denen in Büchern. Heute nicht mehr so klar wie früher, Globalisierung, here we come, aber es ist trotzdem irgendwie… Anders. Ja, anders ist gut. Und zumindest eine Mangaserie sollte man mal gelesen haben. Man muss ja nicht gleich mit denen einsteigen, die 40+ Bände haben, aber so eine putzige „Arina Tanemura“ - Serie (Kamikaze Kaito Jeanne, Time Stranger Kyoko, Fullmoon wo Sagashite, Shinhsi Doumai Cross) mit 3-10 Bänden, okay, für Mädchen, aber uhm, wer früher fleißig RTL2 geschaut hat, kann auch problemlos mittendrin bei „Dragonball“, „Naruto“ oder „One Piece“ einsteigen. Wow, die hab ich jetzt oft als Beispiele genommen, oder? Na ja, aber immerhin kennt’s jeder, also…

Lest Mangas. Sie sind anders, unterhaltsam, anspruchsvoll, wachsen mit, versprechen schnelle Unterhaltung und man hat immer was zum Ausmalen dabei…


Quellen: Mein Gedächtnis, de.wikipedia.org, RTL2-Fernsehprogramm, www.animexx.de

von Workshop 2009 Redaktion Gelsenkirchen am 16.04.2009, Format: Reportage

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