The Circle

Warum eine interessante Geschichte und ein talentierter Filmstab manchmal nicht reichen...

Universitätsabsolventin Mae Holland (Emma Watson) lebt mit ihren Eltern in einer Kleinstadt an der kalifornischen Küste. Das Familienleben wird bestimmt von der MS-Erkrankung ihres Vaters, welche der Familie viel Arbeit und Geld abverlangt. Maes Leben ändert sich schlagartig, als sie aufgrund ihrer Freundin Annie (Karen Gillan) beim Social-Media-Riesen "Circle" eingestellt wird. Der Circle fusioniert Dienste wie Google, Paypal und Facebook in einem Single-Identity-Profil, welches „TruYou“ genannt wird und eine absolute Vorherschafft auf dem Markt innehat. Die Chefriege des Circles, bestehend aus Eamon Bailey (Tom Hanks) und Tom Stenton (Patton Oswalt), wollen radikale Transparenz. Sie behaupten, dass nur durch ständige Beobachtung jedes Einzelnen und dem damit einhergehenden Wegfall von Geheimnissen Kriminalität bekämpft werden kann. Aus diesem Grund kündigt der Circle auf einer Produktpräsentation eine extrem kleine Kamera an, welche rund um die Uhr Videomaterial ins Internet überträgt und innerhalb weniger Sekunden überall angebracht werden kann. Um die Effizienz der Kameras zu demonstrieren, wurden diese an verschiedenen Orten der Welt probeweise angebracht. Nach einem Zwischenfall, bei dem die angebrachten Kameras Mae das Leben retteten, willigt sie ein, ihr ganzes Leben der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Realisiert wird diese Idee durch eine Kamera, die an Maes Kleidung befestigt wird und die ganze Zeit sendet. Trotz der hohen Markenpräsenz und der breiten Zustimmung im Volk gibt es immer noch Menschen, die sich dem Circle entziehen oder sogar gegen diesen ankämpfen wollen. Mercer (Ellar Colltrane), ein Kindheitsfreund Maes, sowie der Erfinder von „TruYou“ Ty Kalden (John Boyega) leisten beide auf ihre Art und Weise Widerstand gegen ein System, welches dem Menschen jegliche Privatsphäre entziehen will. Wird Mae die Seiten wechseln oder hält sie an den Idealen des Circles fest?

Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen, insbesondere Innovationen wie Facebook-Livestreams oder Alexa, so könnte man denken, dass dieser Film genau zur rechten Zeit erscheint. Die Menschheit, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit durch eigens geschaffene Technik verliert. Geschlagen durch die Technik, die uns das Leben erleichtern sollte. In „The Circle“ werden Parallelen zur heutigen Welt mehr als deutlich. Eamon Bailey, gespielt von Tom Hanks, verfügt über dieselbe Ausstrahlung, die Steve Jobs einst zu Weltruhm verholfen hat. Auch das Firmengelände des Circles sieht denen von Google und Apple verblüffend ähnlich. Dass man diese realitätsnahe und zugleich spannende Prämisse in die Hände von James Ponsoldt (The Spectacular Now, Smashed) legt, verspricht doch auf jeden Fall einen guten Film, oder?

 

Die Antwort lautet leider „Nein.“ Doch woran liegt es?

 

Wenn man auch hier die Antwort auf ein Wort runterbrechen will, so ist das Skript, das für das Scheitern des Films verantwortlich gemacht werden kann. Wenn man die oben genannten Filme Ponsoldts nebeneinander hält und eine Gemeinsamkeit feststellt, so ist es die Liebe zu den eigenen Charakteren. Jeder Charakter in Ponsoldts Filmen scheint eine interessante Hintergrundgeschichte zu haben. Gleichgültig ob man die Charaktere mag oder nicht, man erkennt in jedem Fall ihre Glaubwürdigkeit an. „The Circle“ geht in eine andere Richtung. Charaktere kreieren die Geschichte nicht durch ihr Handeln, sondern ihr Handeln unterliegt der festgelegten Geschichte. Kein einziger Charakter macht in dem Film eine realistische Entwicklung durch. Insbesondere Protagonistin Mae wirkt derart fremdgesteuert, dass die Vermutung naheliegt, ihr Charakter besitze die Tiefe einer DIN-A4-Seite. Von ihrem kometenhaften Aufstieg ganz abgesehen.

Die wenigen sehenswerten Charaktere, allen voran Ty und Mercer, welche sich durch kritisches Denken von der Einheitsmasse abheben, werden mit sehr geringer Screentime abgestraft.

Auch wenn mir klar ist, dass die Menschen vom Circle verblendet sind und innerhalb der Firma eine sektenartige Atmosphäre herrscht, so macht es allerdings trotzdem keinen Sinn, dass es, vor allem in Anbetracht der wahnsinnigen Entscheidungen, die der Circle im Laufe des Films trifft, keinerlei Widerstand innerhalb und außerhalb des Circles gibt. Es wird deutlich, dass man eine bestimmte Entwicklung der Geschichte im Kopf hatte, die sich mit realistischer Charakterzeichnung nicht umsetzen ließe.

Schauspielerisch ist der Film natürlich über jeden Zweifel erhaben. Trotz der Limitierungen durch das Drehbuch geben Emma Watson und Tom Hanks tolle Performances ab. Die anderen guten Schauspieler des Casts geraten leider weitestgehend in den Hintergrund.

Neben den Charakteren fallen auch die Geschichte und der Dialog sehr negativ auf. Ponsoldt versucht mit seinem Dialog die jugendlich anmutende Sprache der digitalen Generation aufzufangen. Herauskommt allerdings etwas völlig anderes. Mit dem Dialog in „The Circle“ verhält es sich wie mit dem Jugendwörterbuch. Menschen, die allem Anschein nach wenig mit einer Gruppierung gemeinsam haben, versuchen die Sprache eben dieser Gruppierung zu beschreiben. Das Ergebnis ist in beiden Fällen beschämend. Besonders peinlich werden dabei die mehrmals eingeblendeten Kommentare, welche den Dialog im Internet darstellen. Weder die Kommentare noch die Dialoge entsprechen aufgrund maßloser Übertreibung der Realität.

Zu der Geschichte will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten, da sie tatsächlich einige interessante Wendungen bereithält. Überschattet werden die diversen Plottwists allerdings davon, dass die Geschichte gegen das Ende hin schlichtweg absurd wird. Potenziell denkbare Entwicklungen werden unendlich übertrieben und selbst in der nahen Zukunft, in der die Geschichte stattfindet, ist eine derartige Reaktionslosigkeit der Menschen auf die Entwicklung des Circles ausgeschlossen. Das bewusst offengehaltene Ende ist so kryptisch geschrieben, dass man nicht ganz nachvollziehen kann, was überhaupt passiert ist.

Trotz der vielen Baustellen macht „The Circle“ auch einiges richtig. Die Kameraarbeit von Matthew Libatique inszeniert die fadenscheinige Welt des Circles mit einer gekonnten Präzision und einem Auge für die Ästhetik. Auch die Musik trägt zur Atmosphäre bei ohne unnötig in den Vordergrund zu treten. Die Sets und Kostüme spiegeln den Charme der Westküste als auch den Hipster-Millennial-Look, den man schon heute in diversen Apple-Büros finden kann, wider. 

(17) , Gastkritik vom 08.02.2018, Format: Film

Fazit

Alles in allem ist der Circle, trotz weniger Lichtblicke, ein schlechter, unfertig wirkender und belangloser Film. Der spannenden Thematik wird von Ponsoldts moralischem Zeigefinger jeglicher Realitätsbezug geraubt, was der Wirkung schadet und die eigentliche Moral lächerlich wirken lässt. Die Starbesetzung wirkt aufgrund der geringen Qualität des Drehbuches fehl am Platz und auch die technischen Aspekte können das Chaos nicht beseitigen, sondern nur verschönern. Passenderweise beschreibt der Film sich selbst direkt am Anfang mit sehr passenden Worten: "Meine größte Angst? - Nicht genutztes Potenzial."

Weitere Informationen

  • USA/VAE 2017
  • Regisseur/in: James Ponsoldt
  • FSK: ab 12 Jahren

Gesamtwertung

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