Ben X

Gute Themen zeitnah und interessant verpackt, aber nicht unbedingt ein Film für leichte Unterhaltung.

Wer kennt das nicht? Filme über Mobbing… über Probleme von Jugendlichen… Jedoch sind das meistens keine guten Filme: Überladen, unrealistisch, schönrednerisch und somit leider am Thema vorbei. Nic Balthazar schafft das Gegenteil: Er inszeniert einen wunderbaren, interessanten, aber vor allem aufrüttelnden Film, der einen zum Nachdenken anregt und den Zuschauer mehr als einmal schlucken lässt.
Dabei hat er erfolgreich nicht eines, sondern direkt vier aktuelle Themen behandelt: Mobbing, Cyber-Games, Suizid und vor allem Autismus. Und das gelingt ihm, ohne dass dem Zuschauer dabei irgendetwas fehlt oder gar zu viel wird.

Untermalt von beeindruckender, sehr gut auf den Film abgestimmter Musik sieht der Zuschauer als erstes, wie im Spiel Archlord ein Avatar erschaffen wird und dann durch eine beeindruckende Landschaft reitet. Hierbei ist zu erwähnen, dass dieser Film einer der ersten ist, wenn nicht sogar DER erste, der stellenweise wirklich IN einem ONLINEspiel gedreht wurde.
Und dann lernen wir langsam Ben kennen, den Menschen, der hinter dieser Spielfigur steht. Und es ist schnell klar, dass dieser dunkelhaarige Junge kein ganz normaler Durchschnittstyp ist. Er spricht nicht, jedenfalls nicht mit seiner Umwelt, dafür fliegen seine Gedanken nur so durch die Gegend. Er ist anders als andere, er muss das Lächeln lernen, er hinterfragt Worte. Er nimmt seine Umwelt anders wahr, alles um ihn herum ist lauter, was die Zuschauer im Kino ebenso erleben: Durch geschickte Schnitte und gut angelegte Hintergrundgeräusche scheint man förmlich in Bens Kopf zu sein, man hört und sieht dasselbe, sodass man letztendlich auch dasselbe fühlt. "Marsmensch" nennen seine Mitschüler ihn, Mitschüler, die ihr größtes Vergnügen daraus ziehen, ihrem Klassenkamerad vor laufender Kamera zu mobben, wobei Ben nicht nur seine Hose verliert, sondern auch einen Teil seines Mutes und gewiss auch seiner Würde.
Aber neben der harten Realität ist da eben noch seine andere Welt. Diese Welt, in die Ben stundenlang verschwindet, in der er sogar eine Freundin hat, "Scarlite". Das Computerspiel gibt ihm Kraft, hier ist Ben nicht Ben, sondern ein Krieger namens "Ben X", hier tötet er seine Feinde, die über ihn lachen. Er ist ein Held.
Gut gelingt es den Machern, diese beiden Ebenen zu verbinden und immer wieder eine Art Parallelschaltung herzustellen. Hinzu kommen wiederholt Rückblenden, in denen klar wird, dass Bens Leben schon immer die Hölle war, dass er immer anders war. Und vor allem erfahren auch diejenigen, die es bisher nicht geahnt haben: Ben ist ein Autist.
Obwohl dies sicherlich eine schwierige Rolle ist, schafft es Greg Timmermans in seinem ersten großen Film perfekt, einen Autisten zu spielen, der in Erinnerung bleibt und bedrückend realistisch ist. Und damit ist er nicht der einzige, denn die Schauspieler versuchen förmlich, sich gegenseitig mit Glanzleistungen zu überbieten.
Durch eine weitere Handlungsebene schafft es der Drehbuchautor, im Film noch mehr Spannung aufzubauen. Wie in Reportagen oder ähnlichen Formaten kommentieren Elternteile, Lehrer und Klassenkameraden Bens Geschichte, die sich da immer weiter vor den Augen des Zuschauers enthüllt.
Alles scheint sich zuzuspitzen und auf ein unschönes Ende hinauszulaufen, und man kann es dem "Helden" auch nicht verdenken, denn es erscheinen nicht nur die Videos seiner "Striptease"-Einlage im Internet, sondern Ben wird auch noch von seinen Mitschülern mit Drogen abgefüllt und zusammengeschlagen.
Einen Hoffnungsschimmer scheint es zumindest noch zu geben: Seine Internetfreundin, seine Heilerin, will ihm helfen eine Lösung für alle Probleme zu finden - doch dann kommt es doch noch einmal ganz anders.
Vollkommen verzweifelt und am Ende sieht Ben für seine Zukunft nur noch eine Option…

von esther.y 16 Jahre, Redaktion Köln 1 am 14.01.2009, Format: Film

Fazit

Ein toller Film, der zum Nachdenken anregt und einen etwas stärker auf seine Mitmenschen schauen lässt. Aber auch ein Film, der völlig zurecht erst ab 12 freigegeben wurde, da der Regisseur hier erfolgreich sehr schwierige Jugendthemen verarbeitet, die noch drastischer wirken, wenn man bedenkt , dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht.

Weitere Informationen

  • Belgien/ Niederlande 2007
  • Drama, Jugendfilm
  • Regisseur/in: Nic Balthazar
  • Darsteller/innen: Greg Timmermans, Laura Verlinden, Marijke Pinoy, Pol Goossen, Titus De Voogdt, Maarten Claeyssens
  • FSK: ab 12 Jahren
  • Länge: 94 min.

Gesamtwertung

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